Die Bestattungskultur im Mittelalter

Ein Ritter trägt eine Rüstung, ist beritten, weshalb er so heißt, wie er heißt, und besitzt im Idealfall eine stolze, wehrhafte Burg, in der eine schöne Frau und treues Gesinde unter der Leitung eines kaufmännisch gewieften Verwalters auf ihn warten, wenn ein Kreuzzug ihn und seine Knappen im Dienste des Papstes und des Kaisers mal wieder ins Heilige Land verschlagen hat.

Im Normalfall ist der Ritter allerdings nur ein Bauernhofbesitzer, der gerade so viel Geld und Freizeit hat, dass er nicht unaufhörlich selbst sein Feld bestellen muss und dass er sich das namengebende Reittier und das lebensrettende Kettenhemd anschaffen kann. Er lebt in Abhängigkeit und unter dem Befehl seines Lehnsherren. Im Laufe der Zeit haben sich aber auch durch Land- und Titelverleihungen, sowie durch das Recht auf Erbfolge bedeutende Rittergeschlechter entwickelt.

In den seltenen Friedenszeiten und in den Pausen zwischen den waffenklirrenden Nachbarschaftsstreitigkeiten präsentiert sich der europäische Ritter des Mittelalters und der Renaissance als Vertreter eines Berufsstandes mit besonderen Ehrbegriffen, geschraubtem Zeremoniell und eigener, so genannter höfischer Kultur, weil er sich so gerne an den Höfen des Adels, zu dem er meist leider nicht gehört, aufhält und dort mit Minneliedern, Sängerwettbewerben und farbenprächtigen Turnieren zur Unterhaltung beiträgt.

Wenn er gepanzert in den Kampf zieht oder auf Reisen ist, schmückt er sich mit Wappen, Symbolen und Fahnen in seinen Farben, und sogar sein Pferd (wegen des Gewichtes von Rüstung, Schwert, Lanze und Morgenstern ein massiver Ackergaul!) trägt eine passende prächtige Ganzkörperschabracke.
Das Rittertum ist als Vorbildkultur konzipiert: Man bemühte sich, den idealisierten Helden der Antike, vor allem Alexander dem Großen und Caesar nachzueifern, oder sah sich sogar in der Nachfolge des Erzengels Michael oder des Hl. Georg und grundsätzlich als Soldat Christi im Kampf gegen die Ungläubigen.

Auch der sagenhafte König Artus mit seiner Tafelrunde edelster Ritter auf der Suche nach dem Heiligen Gral diente den emotionsgeladenen Gemütern als Vorbild. Man tat sich mit Gleichgesinnten zu Ritterorden zusammen, legte sich ein Motto zu, das oft die tief verwurzelte Lust an blutigen Nasen illustrierte ("Nemo me impune lacessit" - "Niemand reizt mich ungestraft") und widmete sich Missions- und Kolonisierungsaufgaben, sowie in Zeiten wirtschaftlicher Krisen auch der weniger feinen Raubritterei.

Die Burgen, die nicht nur als Wohn- und Wirtschaftssitz des ritterlichen Hofes errichtet wurden, sondern auch zum Schutz und als Zuflucht für die Bauern der zu den Gebietsländereien gehörigen Dörfer dienten, verfügten natürlich auch über eigene Burgkapellen. Darin wurden die Gottesdienste abgehalten und die Verstorbenen der Ritterfamilie über Generationen hinweg bestattet, je nach Rang in relativ schlichten bemalten Holzsärgen oder mit aufwendigen, von bedeutenden Künstlern gestalteten Grabmonumenten, oft mit einer lebensgroßen Statue oder einem Relief des Toten.

Die Entscheidung über den Begräbnisort ist nie willkürlich. Sie ist eine eindeutig klassifikatorische Handlung und eine Aussage darüber, wo die Toten hingehören.

Kirchhöfe dienten nicht nur der Totenbestattung und dem Gedenken der Verstorbenen an den Gräbern. Sie avancierten im Mittelalter und in der frühen Neuzeit »im Gegensatz zu heute zu den beliebtesten Orten einer dörflichen oder städtischen Siedlung«. Sie trugen und tragen im Volksmund (vor allem in der Schweiz) den Namen »Rosengarten«. Die Bezeichnung mag vom Brauch herrühren, die Gräber mit Rosengewächsen zu bepflanzen.

Dieser Brauch mag auf einen anderen zurückgehen, Gräber mit Dornengestrüpp zu umgeben, um den Aktionsradius der Toten zu beschränken. So »trifft« der Rosenstrauch auf Gräbern »zwei Fliegen auf einen Schlag«: Die Blume symbolisiert das fortdauernde Leben - der Dornenstrauch fixiert die Toten an den ihnen zugewiesenen Ruheort. Die Lebenden glaubten an das jenseitigen Wissen der Toten und an ihre Kontakte zu den Wachstumskräften des Erdreiches. Als Dank dafür führten ihnen die Lebenden durch Spiel, Tanz und fröhliches Getriebe, überhaupt durch Anteil an ihrem Leben, Lebensimpulse zu.

Als herausgehobene Orte solch wechselseitigen Austausches zwischen Lebenden und Toten, und Lebender untereinander, waren Friedhöfe gleichzeitig auch Gerichtsstätte, Freistatt für Verfolgte, Versammlungsort zur Beratung und Entscheidung öffentlicher Angelegenheiten, Sammelplatz in Kriegszeiten und Kriegsnöten, Markt-, Spiel- und Festplatz.

 

Die Auswirkung der Pest im Mittelalter

Der schwarze Tod trat im Mittelalter immer wieder in Wellen auf, erfasste große Teile Europas und kostete Millionen Menschen das Leben. Die Folgen waren dramatisch: Dörfer wurden entvölkert, das soziale Leben brach zusammen, aber vielerorts wurden auch Raum für neue gesellschaftliche Entwicklungen geschaffen.
Die erste große Pestwelle begann 541, wurde vermutlich aus dem vorderen Orient eingeschleppt und beschränkte sich vorwiegend auf den Mittelmeerraum. Viele kleinere Pestzüge folgten. Die zweite große Welle erfasste Europa von 1347 bis 1352. Diesmal kam die Krankheit aus Zentralasien und kostete rund ein Drittel der gesamten europäischen Bevölkerung das Leben, das waren circa 18 bis 25 Millionen Menschen.    

Die Auswirkungen der Seuche machten sich in allen Lebensbereichen bemerkbar und meist folgte einer Pestwelle auch noch eine Hungersnot, da Nahrungsmittel durch die Verseuchung dezimiert waren und Transportwege zusammenbrachen. 1423 wurde in Venedig das erste Pestlazarett eingerichtet, um Kranke bis zu ihrer Genesung, meist jedoch bis zu ihrem Tod, zu isolieren. Als im selben Jahrhundert Deutschland regelmäßig von Pestwellen heimgesucht wurde, ging die Ausgrenzung weiter, indem man per Seuchengesetz verbot, kranken Mitbürgern Nahrungsmittel anzubieten. Zuwiderhandlungen wurden mit Ausweisung bestraft.

Als zunehmend bekannt wurde, wie gefährlich und leicht übertragbar die Krankheit tatsächlich war, verweigerten Menschen selbst ihren Angehörigen, Kindern und Eltern die dringend benötigte Hilfe. Kranke und Sterbende hatten häufig keinen Beistand ihrer Familien, oft nicht einmal den eines Arztes oder Priesters. Aus Angst vor Ansteckung wurden kulturelle Traditionen nicht mehr gepflegt, Beerdigungen im herkömmlichen Sinne waren verboten. Menschenansammlungen, sogar Gottesdienste, waren ebenfalls untersagt.     

Reiche, die sich die Flucht vor der Seuche leisten konnten, verließen ihre Heimat. Kranke wurden beraubt, Leichen säumten die Straßen, das gesamte öffentliche Leben brach zusammen. Zu den gefährlichen Aufräumarbeiten wurden soziale Randgruppen eingesetzt, wie Juden, Zigeuner, Ausländer und Behinderte. Sie sammelten Tote von den Straßen, holten sie aus ihren Häusern und bestatteten sie in Massengräbern.     

Da man zunächst medizinisch keine Erklärung für den Schwarzen Tod fand, suchte man sie in der Religion. Man deutete Katastrophen als Vorboten weiterer Katastrophen. So wurde die Pest als erstes Zeichen für das Ende der Welt, die Apokalypse, gedeutet. Diese düsteren Prognosen machten die Menschen des 15. Jahrhunderts auf der einen Seite zu einem besonders gläubigen Volk, Flagellanten geißelten sich öffentlich selbst, um Befreiung von der Sünde zu erreichen. Auf der anderen Seite wollte man die letzten Tage der Menschheit noch feiern, ausgelassenen und mit ungehemmter Lebensfreude. Als Sündenböcke mussten wieder einmal Randgruppen herhalten, die von der Kirche verfolgt wurden. Um sich vor ihnen und der Seuche zu schützen, fertigten Quacksalber Amulette an, Ärzte und Apotheker mischten Gegenmittel und publizierten Pestschriften.     

Da man an alte herkömmliche Heilverfahren nicht mehr glaubte, Mediziner versagten und häufig selbst an der Pest erkrankten, wurden Lehrstühle an den Universitäten frei. Durch die hohe personelle Fluktuation gab es neue Ideen für medizinische Ansätze. Man war experimentierfreudig und offen für Neues. Ärzte dokumentierten zunehmend Berichte in ihrer Landessprache und nicht mehr in Latein, sodass medizinisches Wissen für immer mehr Menschen zugänglich wurde. In dieser Zeit entstand der Begriff der Quarantäne und es wurden die ersten Hygienevorschriften erlassen. Sie reichten von Lebensmittelüberwachung über Armenfürsorge bis hin zur Kontrolle von Prostituierten. Durch die Vorkehrungen und standardisierte Behandlungen gelang es auch tatsächlich, die Pest zurück zu drängen. Nachdem rund ein Drittel der Bevölkerung dem Schwarzen Tod zum Opfer gefallen war, verteilte sich das vorhandene Vermögen neu, Überlebende kamen zu Reichtum. Durch den Arbeitskräftemangel stiegen Löhne signifikant an, allerdings auch die Preise, da sämtliche Waren knapp waren. Folge war auch hier wieder eine gesetzliche Regelung, zum Beispiel Arbeitszwang sowie Lohn- und Preisregelungen.

   

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